Zwei junge Frauen im Freien: Eine Frau im Rollstuhl hält ein Smartphone und zeigt es ihrer Freundin, die hinter ihr steht und auf den Bildschirm schaut als Symbolbild für digitale Barrierefreiheit. Beide lächeln und scheinen ein angenehmes Gespräch zu führen. Im Hintergrund ist ein historisches Gebäude mit roten Dekorationen zu sehen.

Was ist digitale Barrierefreiheit? Definition, Vorteile und Beispiele

Stephanie Diedrich, UX Consultant

Ein Paar Sneaker im Onlineshop bestellen, per App eine Überweisung tätigen, beim Amt digital einen Termin vereinbaren – was für viele Routine ist, kann für Menschen mit Beeinträchtigung eine echte Herausforderung sein. Digitale Barrierefreiheit ist für diese Nutzergruppe essentiell, um gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Der Gesetzgeber hat darauf reagiert. Nach den digitalen Services und Seiten im öffentlichen Sektor werden zukünftig auch barrierefreie Websites, Onlineshops, Apps & Co. für viele Unternehmen Pflicht.

In diesem Blogbeitrag geben wir Ihnen einen Überblick zum Thema digitale Barrierfreiheit – von der Definition über die gesetzliche Lage bis hin zur Umsetzung. Dabei gehen wir auch darauf ein, weshalb es sich für Unternehmen abseits von rechtlichen Verpflichtungen lohnt, ihre digitalen Lösungen barrierefrei zu gestalten.

Inhalt

 

Was ist digitale Barrierefreiheit?

Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass digitale Plattformen wie Websites, Apps und Online-Shops für alle Menschen zugänglich sind, unabhängig von körperlichen oder kognitiven Einschränkungen.

Eine Person mit Sehbehinderung sollte sich eine Website beispielsweise von einem Screenreader vorlesen lassen können. Ein potentieller Kunde mit motorischen Einschränkungen muss die Möglichkeit haben, sich vollständig per Tastatur durch den Onlineshop eines Anbieters zu navigieren. Neben solchen Funktionen tragen auch grundlegende Aspekte wie eine einfache Sprache, klare Strukturen (Layouts) und die Option Schriftgrößen anzupassen dazu bei, digitale Inhalte für alle verständlich und nutzbar zu machen.

Wieso ist digitale Barrierefreiheit wichtig?

Digitale Barrierefreiheit ist nicht nur für eine kleine Randgruppe relevant. So haben rund 16% der globalen Bevölkerung eine körperliche oder kognitive Beeinträchtigung. Das sind 1,3 Milliarden Menschen, denen der vollumfängliche Zugang zu digitalen Plattformen – ohne die notwendigen Maßnahmen – potenziell verwehrt bleibt.

Grafik mit der Aussage: '16 % der globalen Bevölkerung hat eine Behinderung'. Die Zahl '16%' ist groß und fett gedruckt, wobei die Null durch eine stilisierte Weltkugel ersetzt ist. Quelle: WHO.

 

Hinzu kommen Personen, die vorübergehend gehandicappt sind, beispielsweise durch Unfälle und Verletzungen. Stellen Sie sich vor, Sie haben sich nach einem Sturz mit dem Fahrrad mehrere Finger gebrochen. Wie würde Ihre Interaktion am Smartpone nun aussehen? Auch Seniorinnen und Senioren treffen mit zunehmendem Alter bei der Bedienung von Smartphone und Co. immer häufiger auf Barrieren.

Die Zahlen sprechen für sich. Digitale Barrierefreiheit ist nicht nur ein Thema für Wenige. Denn wenn die Kriterien für barrierearme, bzw. barrierefreie Gestaltung und Umsetzung berücksichtigt werden, profitieren alle, auch Nutzer ohne akute Beeinträchtigung davon - Und damit langfristig auch das Unternehmen am anderen Ende des Produktes.

Welche Vorteile hat digitale Barrierefreiheit für Unternehmen?

Verantwortliche auf Unternehmensseite stöhnen wahrscheinlich zunächst ein mal auf, wenn es um digitale Barrierefreiheit geht, und sehen lediglich den Mehraufwand, der auf sie zukommt. Dabei bringt die barrierefreie Gestaltung von Website, Onlineshop, Apps und anderen Plattformen Unternehmen handfeste Vorteile – über die Erfüllung gesetzlicher Anforderungen hinaus.

Grafik mit dem Titel 'Digitale Barrierefreiheit – Vorteile für Unternehmen'. In der Mitte befindet sich ein stilisierter Computerbildschirm mit einem Häkchen-Symbol. Darunter sind vier Vorteile aufgeführt, jeweils mit einem Icon und einer Beschreibung: 'Bessere User Experience' mit einem Netzwerk-Symbol, 'Größere Zielgruppe' mit einem Zielscheiben-Symbol, 'Höhere SEO-Performance' mit einer Krone und Lupe, sowie 'Besseres Image' mit einem Stern auf einer ausgestreckten Hand. Einige Elemente sind grün hervorgehoben.


Icon mit einem zentralen Nutzer-Symbol, das durch Linien mit mehreren Kreisen verbunden ist, symbolisiert eine verbesserte Benutzererfahrung durch digitale Barrierefreiheit.

Sie bieten allen Nutzern eine bessere User Experience

Digitale Barrierefreiheit macht nicht nur Menschen mit Beeinträchtigung das Leben leichter. Optimierungen wie eine klare Navigation, gut lesbare Texte und verständliche Inhalte verbessern die Nutzererfahrung aller User. Eine Investition in Barrierefreiheit ist somit gleichzeitig eine Investition in die User Experience und kann sich direkt auf Conversion Rates und intendierte Ziele auswirken.

Einige Beispiele, wie auch Nutzer ohne Beeinträchtigung von Barrierefreiheit profitieren können:

  • Laute Umgebung? Untertitel bei Videos helfen nicht nur Hörgeschädigten, sondern auch Pendlern in der Bahn ohne Kopfhörer.
  • Sonne blendet das Display? Ein hoher Farbkontrast verbessert die Lesbarkeit für Nutzer mit und ohne Sehbehinderung.
  • Nur eine Hand frei? Eine optimierte Tastatur- oder Sprachsteuerung erleichtert die Bedienung auch für Personen, die gerade eine Tasse Kaffee in der Hand halten.

Man sieht: Barrierefreiheit kommt allen Nutzern zugute und sorgt für eine rundum positive Customer Experience.

„Icon mit einer Zielscheibe und einem Pfeil, der ein Häkchen trifft, steht für eine größere Zielgruppe, die durch barrierefreie digitale Inhalte erreicht werden kann.

Sie gewinnen mehr Reichweite und neue Zielgruppen

Mit dem Abbau digitaler Barrieren erreichen Sie mehr Menschen und erschließen neue Zielgruppen. Allein in Deutschland leben rund 10 Millionen Menschen mit einer Behinderung (Mikrozensus 2024). Auf EU-Ebene sind es rund 101 Millionen (Eurostat 2024). Das heißt: wer digitale Lösungen nicht barrierefrei gestaltet, vernachlässigt eine beachtliche Zahl potenzieller Kunden und verschenkt wertvolle Umsatzpotenziale!

Zudem profitieren auch ältere Menschen von einer klaren, nutzerfreundlichen Gestaltung. Schon heute ist jeder fünfte Deutsche über 65 Jahre alt – Tendenz steigend (Destatis 2024). Viele stoßen auf Hürden wie zu kleine Schriftgrößen, eine komplizierte, nicht intuitiv nutzbare Navigation, oder komplexe, nur schwer zu verstehende Inhalte. Indem Sie digitale Lösungen barrierefrei gestalten, erreichen Sie auch diese wachsende Gruppe älterer Nutzerinnen und Nutzer. 

Icon mit einer stilisierten Person, die eine Krone trägt, und einer Lupe, repräsentiert die verbesserte Suchmaschinenoptimierung (SEO) durch digitale Barrierefreiheit.

Sie verbessern Ihre SEO-Performance

Google und Co. lieben barrierefreie Websites – viele Maßnahmen zur Barrierefreiheit decken sich nämlich mit den Best Practices für Suchmaschinenoptimierung (SEO). Indem Sie Ihre digitalen Angebote barrierefrei gestalten, sichern Sie sich eine bessere Sichtbarkeit und mehr organischen Traffic.

Einige Beispiele:

  • Alternativtexte für visuelle Elemente helfen nicht nur sehbehinderten Menschen, sondern auch Google, Bilder und Fotos zu verstehen.
  • Klare Überschriftenhierarchien mit h1, h2 und so weiter verbessern sowohl die Lesbarkeit für Screenreader als auch das Ranking in den Suchergebnissen.
  • Eine einfache Navigation und klar strukturierte Inhalte sorgen für eine bessere Nutzererfahrung – ein wichtiger Faktor für das Google-Ranking.

Zudem wäre es denkbar, dass Google nicht-barrierefreie Inhalte zukünftig abstraft – ähnlich, wie die Suchmachine seit einigen Jahren Seiten abstraft, die nicht mobil-optimiert sind ("Mobile First"). Gerade die Tatsache, dass digitale Barrierefreiheit für viele Organisationen und Unternehmen verpflichtend ist, könnte Google dazu bewegen, sie zum Rankingfaktor zu machen. Wer schon jetzt handelt, ist auf der sicheren Seite.

Icon mit einem Stern, der über einer ausgestreckten Hand schwebt, symbolisiert das gesteigerte Unternehmensimage durch barrierefreie digitale Lösungen.

Sie tun etwas für Ihr Image

Unternehmen, die digitale Angebote barrierefrei gestalten, setzen ein Zeichen für Inklusion und Vielfalt – und stärken gleichzeitig ihr Image. So ist Diversität längst kein Trendthema mehr, sondern für viele Menschen ein Kriterium bei der Kaufentscheidung oder der Wahl des Arbeitgebers.

Das belegen auch Studien: Laut einer Umfrage von PwC beeinflussen soziale Faktoren wie Diversität, Inklusion und Menschenrechte die Kaufentscheidung von 40% der Verbraucher (PwC 2023). Eine weitere Studie zeigte, dass ein inklusives Arbeitsumfeld für zwei Drittel der Bewerber eine wichtige Rolle bei der Jobsuche spielt (Bain & Company 2022). Wer Barrierefreiheit und Vielfalt aktiv fördert, schafft also nicht nur bessere digitale Erlebnisse, sondern steigert gleichzeitig die Attraktivität seiner Marke – sowohl für Kunden als auch für Bewerber.

Welches Gesetz regelt digitale Barrierefreiheit in Deutschland?

Für den öffentlichen Sektor in Deutschland ist digitale Barrierefreiheit nichts Neues – ab Juni 2025 wird sie nun auch für private Unternehmen gesetzlich verpflichtend. Die wichtigsten Regelungen zum Thema sind


Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) – Grundlage für Barrierefreiheit in Deutschland

Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) soll die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen gewährleisten. Es bildet die übergeordnete rechtliche Grundlage für viele weitere Regelungen zur Barrierefreiheit, einschließlich der BITV und des BFSG.

Das BGG gilt in erster Linie für öffentliche Stellen des Bundes, verpflichtet diese jedoch nicht nur zu barrierefreier digitaler Kommunikation, sondern auch zu baulicher und technischer Barrierefreiheit. Besonders relevant für digitale Barrierefreiheit ist der § 12d BGG, der die barrierefreie Gestaltung von Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen vorschreibt und damit die Grundlage für die BITV 2.0 bildet.

Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) – Richtlinien für digitale Barrierefreiheit

Detaillierte Anforderungen für die Gestaltung barrierefreier Websites, Apps, Onlineshops und Co. finden sich in den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG). Dabei handelt es sich um den international anerkannten technischen Standards für digitale Barrierefreiheit, an dem sich auch die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung und das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz orientieren. 

In seiner aktuellen Fassung definiert die WCAG rund 80 Richtlinien für digitale Barrierefreiheit, unterteilt in die vier Bereiche Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit. Zudem gibt es drei Konformitätsstufen von A (Mindestanforderungen) bis hin zu AAA (höchste Anforderungen). Die mittlere Stufe AA stellt den gesetzlich verpflichtenden Standard für digitale Barrierefreiheit dar.

Zeitstrahl zur Entwicklung der Barrierefreiheitsgesetzgebung in der EU und Deutschland. Die Meilensteine sind:  2016: (EU) 2016/2102 – EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit von Websites und Apps im öffentlichen Sektor. 2019: Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) – Deutsche Umsetzung der EU-Richtlinie 2016/2102. 2021: European Accessibility Act (EAA) – EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit von digitalen Produkten und Dienstleistungen. 28.6.2025: Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) – Deutsche Umsetzung des EAA. Jeder Meilenstein ist mit einem farbigen Punkt auf einer vertikalen Linie markiert.


Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) – Digitale Barrierefreiheit im öffentlichen Sektor

Die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) konkretisiert die Vorgaben des BGG für den digitalen Bereich. Sie setzt die EU-Richtlinie 2016/2102 in Deutschland um und verpflichtet Bundes- und Landesbehörden sowie öffentliche Stellen dazu, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten.

Zu den Anforderungen der BITV gehören unter anderem:

  • Barrierefreie Gestaltung von Websites und mobilen Anwendungen
  • Zugänglichkeit von PDF-Dokumenten und Formularen
  • Bereitstellung von alternativen Zugangswegen, z. B. über Vorlesefunktionen oder Gebärdensprachvideos
  • Einhaltung der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) in der aktuellen Version

Öffentliche Stellen müssen zudem eine Erklärung zur Barrierefreiheit auf ihren Webseiten bereitstellen und einen Mechanismus zur Meldung von Barrieren anbieten. Die BITV geht in einigen Punkten sogar über die internationalen WCAG-Standards hinaus.

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) – Digitale Barrierefreiheit von privaten Unternehmen

Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) werden erstmals private Unternehmen zur digitalen Barrierefreiheit verpflichtet. Es setzt die EU-Richtlinie 2019/882 (European Accessibility Act) in deutsches Recht um und tritt am 28. Juni 2025 in Kraft. Wer die Anforderungen bis dahin nicht erfüllt, muss mit empfindlichen Strafen rechnen – so sind Bußgelder in Höhe von bis zu 100.000 Euro möglich.

Das BFSG gilt für eine Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen, darunter:

  • E-Commerce (Onlineshops, Buchungsportale, digitale Vertriebsplattformen)
  • Bank- und Finanzdienstleistungen (Online-Banking, Bankautomaten, Zahlungsterminals)
  • Elektronische Kommunikation (Webseiten, Apps, Messenger-Dienste)
  • E-Books und E-Reader
  • Öffentliche Verkehrsdienste (z. B. Ticketautomaten, Fahrgastinformationen)
  • Computerhardware und Betriebssysteme

Das Gesetz verpflichtet nahezu alle Unternehmen, die diese Produkte oder Dienstleistungen anbieten und sich an Verbraucher richten (B2C). B2B-Unternehmen sind in der Regel nicht vom BFSG betroffen, doch es gibt Ausnahmen. Ob Ihre Produkte oder Dienstleistungen unter das Gesetz fallen, sollten Sie in jedem Fall anwaltlich klären lassen, um empfindliche Strafen zu vermeiden.

Vergleich der Barrierefreiheitsvorgaben zwischen BITV und BFSG. Die BITV gilt für öffentliche Stellen (Bund, Länder, Kommunen) und basiert auf der EU-Richtlinie 2016/2102. Sie betrifft Websites, Apps, Verwaltungsprozesse und Software öffentlicher Stellen. Kommunen mit weniger als 50 Mitarbeitenden sind ausgenommen, und die Vorschriften sind seit 2019 verpflichtend. Das BFSG betrifft private Wirtschaftsakteure (z. B. B2C-Unternehmen) und basiert auf dem European Accessibility Act (EAA). Es erfasst digitale Produkte und Dienstleistungen wie Onlineshops und Buchungsplattformen. Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz unter 2 Millionen Euro sind ausgenommen. Die Vorschriften werden ab dem 28. Juni 2025 verpflichtend.


Was umfasst digitale Barrierefreiheit?

Wenn Sie an digitale Barrierefreiheit denken, fallen Ihnen vielleicht als erstes Alt-Texte für Bilder ein oder Untertitel für Videos. Entsprechende Maßnahmen setzen viele Marketer schon aus SEO-Gründen oder für eine bessere Nutzererfahrung um. Allerdings umfasst digitale Barrierefreiheit noch einiges mehr.

Die 4 Grundprinzipien: Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit, Robustheit

Richtilien für die barrierefreie Gestaltung von Websites, Apps, Onlineshops und anderen digitalen Plattformen finden sich, wie hier erwähnt, in den Web Content Accessibility Guidelines. Die rund 80 Kriterien lassen sich den folgenden vier Grundprinzipien digitaler Barrierefreiheit zuordnen.

1. Wahrnehmbarkeit

Digitale Inhalte müssen für alle Nutzer erfassbar sein – unabhängig von ihren sensorischen Fähigkeiten. Dies bedeutet, dass Texte mit ausreichendem Kontrast gestaltet, Alternativtexte für Bilder bereitgestellt und audiovisuelle Inhalte mit Untertiteln oder Transkripten versehen werden. Strukturierte Inhalte helfen, Informationen klar zu vermitteln, sodass Menschen mit Seh- oder Hörbeeinträchtigungen Inhalte ebenso wahrnehmen können wie Nutzer ohne Beeinträchtigung.

2. Bedienbarkeit

Jede Plattform sollte so gestaltet sein, dass sie unabhängig von motorischen oder kognitiven Einschränkungen bedient werden kann. Dazu gehört eine Navigation, die sowohl per Maus, Tastatur als auch mit assistiven Technologien nutzbar ist. Nutzer dürfen nicht durch Zeitbeschränkungen unter Druck gesetzt werden, und interaktive Elemente sollten vorhersehbar sowie leicht zugänglich sein, um eine intuitive Nutzung für alle zu gewährleisten.

Grafik mit vier überlappenden farbigen Kreisen, die die vier Prinzipien der digitalen Barrierefreiheit darstellen. In der Mitte ein Symbol für Barrierefreiheit. Die Kreise sind beschriftet mit:  'wahrnehmbar' (lila) mit einem Icon eines Kopfes mit Fokusrahmen, symbolisiert, dass Inhalte für alle Sinne zugänglich sein müssen. 'bedienbar' (gelb) mit einem Navigations-Icon, steht für eine intuitive und zugängliche Steuerung. 'verständlich' (blau) mit einem Sprechblasen-Icon, betont die Wichtigkeit klarer und einfacher Kommunikation. 'robust' (grün) mit einem verknüpften Kettenglied-Icon, steht für eine stabile technische Umsetzung, die mit verschiedenen Geräten und Technologien kompatibel ist.

3. Verständlichkeit

Digitale Inhalte müssen klar, strukturiert und einfach verständlich sein. Dies betrifft nicht nur die Sprache, sondern auch eine logische Navigation sowie eindeutiges Nutzungsfeedback, beispielsweise in Form von Fehlermeldungen und Bedienhinweisen. Texte sollten in einfacher Sprache verfasst und Fachbegriffe erklärt werden. So wird sichergestellt, dass Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder geringeren Sprachkenntnissen problemlos auf die gewünschten Informationen zugreifen können.

4. Robustheit

Digitale Inhalte müssen mit verschiedenen Geräten, Browsern und assistiven Technologien kompatibel sein. Dies bedeutet, dass der Code sauber und standardkonform sein sollte, um sowohl auf aktuellen als auch zukünftigen Systemen problemlos zu funktionieren. Eine technisch robuste Gestaltung stellt sicher, dass Nutzer unabhängig von ihrer verwendeten Technologie immer auf die Inhalte zugreifen können, ohne auf Barrieren zu stoßen.

Beispiele für Anforderungen an barrierefreie Websites, Apps und Onlineshops

Allgemein gelten die Richtlinien für digitale Barrierefreiheit – von ausrechenden Kontrasten bis hin zu einer verständlichen Sprache – für alle digitalen Plattformen gleichermaßen. Lassen Sie uns einige Beispiele genauer betrachten, um die Anforderungen zu verdeutlichen

Icon mit einer stilisierten Darstellung eines Computerbildschirms. Ein grünes hervorgehobenes Element im Hintergrund.
Veranschaulichung anhand einer barrierefreien Website:

  • Tastatur-Navigation und Fokus-Management
    Viele Menschen mit motorischen Einschränkungen können keine Maus nutzen – genauso Menschen mit Sehbehinderung, die auf einen Screenreader angewiesen sind. Eine der wichtigsten Anforderungen an barrierefreie Websites ist die vollständige Bedienbarkeit per Tastatur. Dazu gehören klare Fokus-Indikatoren – aktive Elemente auf der Seite sollten visuell hervorgehoben werden, damit Nutzer stets wissen, wo sie sich gerade befinden. Zudem sollte die Navigation logisch aufgebaut und Inhalte in einer sinnvollen Reihenfolge erreichbar sein.
  • Semantische HTML-Struktur für Screenreader
    Ein weiteres zentrales Element barrierefreier Websites ist die semantische HTML-Struktur. Eine gut strukturierte Seite mit korrekt ausgezeichneten Überschriften (h1 bis h6), Listen und Absätzen hilft Screenreadern, den Inhalt sinnvoll zu erfassen und vorzulesen. Besonders interaktive Elemente wie Formulare müssen mit klaren Labels versehen werden, damit Nutzer wissen, welche Informationen sie eingeben müssen.
  • Multimedia-Inhalte (Videos, Animationen)
    Websites enthalten zudem oft Multimedia-Inhalte wie Videos oder Animationen. Damit auch hörgeschädigte oder blinde Menschen darauf zugreifen können, sind Untertitel oder vollständige Texttranskripte notwendig. Automatische Animationen sollten zudem pausierbar sein, um Menschen mit kognitiven Einschränkungen nicht zu überfordern.

Tipp: Einblicke in die barrierefreie Gestaltung eines Webportals erhalten Sie in unserem Use Case mit dem Landschaftsverband Rheinland. 

 

Icon mit einer stilisierten Darstellung eines Tablets oder Touchscreens. Eine Hand mit einem ausgestreckten Zeigefinger zeigt auf den Bildschirm, was eine Touch-Geste oder Interaktion symbolisiert. Im Hintergrund befindet sich ein grünes hervorgehobenes Element.
Veranschaulichung anhand einer barrierefreien App:

  • Wisch- und Gestensteuerung
    Ein zentrales Element vieler Apps ist die Gestensteuerung. Ein einfaches Wischen nach links oder rechts kann in einer App dazu führen, dass eine Nachricht archiviert oder eine Seite weitergeblättert wird. Doch für Nutzer mit motorischen Einschränkungen oder für Screenreader-Nutzer ist diese Art der Navigation oft nicht nutzbar. Eine zugängliche App muss daher alternative Steuerungsmethoden wie Schaltflächen oder Sprachbefehle anbieten.
  • Haptisches Feedback und Vibration
    Ein Faktor, der besonders für Apps relevant ist, ist das haptische Feedback. Viele Anwendungen nutzen Vibrationen als zusätzliches Signal – etwa um eine erfolgreiche Aktion zu bestätigen oder eine Warnung auszugeben. Damit auch Menschen mit Beeinträchtigung diese Informationen wahrnehmen können, sollten visuelle oder textuelle Alternativen zur Verfügung stehen.
  • Anpassung an verschiedene Bildschirmgrößen und Geräte
    Apps müssen für verschiedene Bildschirmgrößen und Geräte wie Smartphones, Tablets oder Wearables optimiert sein. Eine barrierefreie App passt sich dynamisch an Displaygrößen an, damit Inhalte und Bedienelemente stets gut lesbar und intuitiv nutzbar bleiben. Schaltflächen, Texte und interaktive Elemente sollten ausreichend groß und für alle Nutzer leicht zugänglich sein.

Tipp: In unserem Use Case zur berufswahlapp erfahren Sie mehr über die Entwicklung barrierefreier mobiler Anwendungen.


Icon mit einer stilisierten Darstellung eines Computerbildschirms. Auf dem Bildschirm befindet sich ein Einkaufswagen-Symbol, das für Online-Shopping oder E-Commerce steht. Im Hintergrund ist ein grünes hervorgehobenes Element.

Veranschaulichung anhand eines barrierefreien Onlineshops:

  • Barrierefreier Checkout und Zahlungsoptionen
    Eine große Hürde für viele Menschen sind die oft komplexen Formularfelder bei der Bestellung. Während einfache Websites vielleicht ein Kontaktformular enthalten, müssen Onlineshops Adressfelder, Zahlungsoptionen und Sicherheitsabfragen barrierefrei zugänglich machen. Besonders problematisch sind Captchas, die oft nur visuell dargestellt werden. Eine zugängliche Alternative wären hier Audio-Captchas oder logisch lösbare Rechenaufgaben.
  • Filter- und Sortierfunktionen
    Filter- und Sortierfunktionen sind insbesondere im E-Commerce sehr präsent, um eine große Auswahl an Produkten gezielt durchsuchen zu können. Bei der barrierefreien Gestaltung von Onlineshops ist es daher besonders wichtig, diese so zu gestalten, dass sie auch ohne Maus, etwa mit der Tastatur oder einem Screenreader, nutzbar sind.
  • Wunschlisten und Warenkorb-Navigation

    Onlineshops bieten Nutzern viele Interaktionsmöglichkeiten, beispielsweise durch Funktionen wie das Speichern und Verwalten von Produkten. Das Hinzufügen oder Entfernen von Artikeln im Warenkorb sollte nicht nur visuell signalisiert werden, sondern auch von Screenreadern erläutert und durch auditive Hinweise gekennzeichnet werden. Besonders Drag-and-Drop-Funktionen zur Verwaltung von Wunschlisten benötigen alternative Bedienungsmöglichkeiten.


Wie gehen Sie bei der Umsetzung von digitaler Barrierefreiheit richtig vor?

Wie alle Digitalprojekte muss auch die Umsetzung von digitaler Barrierefreiheit systematisch angegangen werden. Dabei hat sich folgendes Vorgehen bewährt.

Grafische Darstellung eines fünfstufigen Prozesses zur Umsetzung von digitaler Barrierefreiheit.  Audit und Analyse: Überprüfung der Ist-Situation und Identifikation von Schwachstellen. Strategie und Konzeption: Definition von Zielen und Maßnahmen, User Research und Erstellung von Guidelines. Umsetzung und Entwicklung: Umsetzung von Verbesserungen in Web Development, UX Design und Text. Testing und Qualitätssicherung: Mischung aus automatisierten und manuellen Tests mit echten Nutzern. Verbesserung und Schulung: Regelmäßige Prüfung und Weiterbildung relevanter Teams." Die einzelnen Schritte sind farblich hervorgehoben: Grün für Audit, Blau für Strategie, Orange für Entwicklung, Hellgrün für Testing und Lila für Schulung.

1. Audit und Analyse

Der erste Schritt sollte immer eine gründliche Bestandsaufnahme sein, in der Sie prüfen, inwiefern bestehende digitale Lösungen bereits barrierefrei sind und wo noch Verbesserungsbedarf besteht. Hierbei kommen Tools wie WCAG-Checker oder manuelle Tests mit Screenreadern zum Einsatz. Am Ende steht ein detaillierter Bericht, der den Status quo und potenzielle Schwachstellen festhält.

2. Strategie und Konzeption

Nach der Analyse folgt die strategische Planung. Sie definieren Ziele, priorisieren die notwendigen Maßnahmen, legen Verantwortlichkeiten fest und schaffen eine Roadmap für das weitere Vorgehen. User Research und Accessibility Guidelines sind essentiell dabei, um zu gewährleisten, dass Ihre Lösungen auch wirklich den Bedürfnissen aller Nutzergruppen entsprechen.

3. Umsetzung und Entwicklung

In dieser Phase setzen Sie die notwendigen Verbesserungen in die Praxis um. Web Development Teams nehmen technologische Anpassungen vor und implementieren die Vorgaben hinsichtlich UX und Design; Grafiker überarbeiten ggf. Bilder, Videos sowie Dokumente; und Marketer pflegen neue Assets ein, redigieren Texte sowie Alttexte. 

4. Testing und Qualitätssicherung

Sind die notwendigen Anpassungen vorgenommen, geht es ans Testing: Für ein schnelles Aufspüren von technischen Mängeln sind automatische Tests mit Accessibility-Scannern nützlich. Diese reichen aber keinesfalls aus! Nur manuelle Prüfungen – im besten Fall mit echten Nutzergruppen – gewährleisten, dass Ihre Lösung wirklich barrierefrei ist. Wenn alle Probleme behoben sind, kann die Plattform live gehen.

5. Kontinuierliche Verbesserung und Schulung

Digitale Barrierefreiheit ist kein einmaliges Projekt, sondern ein fortlaufender Prozess. Regelmäßige Audits und kontinuierliche Optimierungen und Anpassungen sorgen dafür, dass neue Funktionen und Inhalte die Barrierefreiheit Ihres digitalen Produktes nicht beeinträchtigen, sondern zu dieser weiter beitragen. Schulungen für Entwickler, Designer und Content-Manager stärken zudem das Bewusstsein und befähigen Teams, Barrierefreiheit dauerhaft in ihre Arbeit zu integrieren. So bleiben Website, Onlineshop, App und Co. stets zugänglich.

Fazit 

Digitale Barrierefreiheit ist mehr als ein neues Gesetz oder eine zusätzliche Belastung für Unternehmen und Betreiber digitaler Plattformen. Es ist ein großer Schritt hin zu einer inklusiveren, gerechteren Welt – und bietet gleichzeitig Vorteile für alle Nutzergruppen sowie für Unternehmen. Einige der wichtigsten Erkenntnisse im Überblick: 

  • Relevanz: Ein großer Teil der Bevölkerung lebt mit einer physischen oder kognitiven Beeinträchtigung und ist daher auf die Barrierefreiheit von digitalen Lösungen angewiesen. Hinzu kommen ältere Menschen, die immer häufiger  auf digitale Hürde stoßen.
  • Vorteile: Unternehmen, die ihre digitalen Plattformen barrierefrei optimieren, erzeugen automatisch auch eine bessere UX, steigern ihre Reichweite, verbessern ihre SEO-Performance und zahlen gezielt auf ihr Image ein.
  • Gesetze: In Deutschland ist digitale Barrierefreiheit für den öffentlichen Sektor (BITV) und ab dem 28. Juni 2025 auch für viele Unternehmen (BFSG) gesetzlich verpflichtend. Das ignorieren dieser Regelungen kann zu empfindlichen Strafen führen. Ob ihr Unternehmen betroffen ist, sollten Sie sorgfältig prüfen.
  • Richtlinien: Für die barrierefreie Gestaltung von Websites, Apps, Onlineshops und anderen digitalen Plattformen orientieren sich Betroffene an den Richtlinien der Web Content Accessibility Guidelines.
  • Vorgehen: Digitale Barrierefreiheit ist kein einmaliges Projekt, sondern ein fortlaufender Prozess. Sie erfordert ein systematisches Vorgehen und die gute Zusammenarbeit von Web Development, Design, Marketing und weiteren Abteilungen.

Haben Sie Fragen rund um digitale Barrierefreiheit?

Unsere Expertinnen und Experten unterstützen Sie gerne bei der barrierefreien Konzeption und Gestaltung von Websites, Apps, Onlineshops und weiteren digitalen Produkten. Wir bieten Ihnen Beratung, Barrierefreiheits-Audits sowie Umsetzung und unterstützen Sie dabei, die Anforderungen des BFSG und BITV erfolgreich umzusetzen.

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